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Kurzanwendungsfäll: ICT-Verträgen

Kurzanwendungsfäll: ICT-Verträgen

Fall 13.1: Das Bundesamt für Gesundheit BAG will seine mittlerweile in die Tage geratene Datenbanksoftware komplett überarbeiten und ersetzen. Neu soll die Software nicht nur passiv Daten speichern können sondern auch aktive Datenbearbeitung ermöglichen – so dass die bis anhin physischen Unterlagen weitmöglichst durch digitale Unterlagen ersetzt werden können. Das BAG zieht in Erwägung, das Softwarehaus S damit zu beauftragen. Es verlangt jedoch vor Projektstart den Abschluss eines separaten Projektvertrags, der alle Einzelheiten regelt.​

Sie sind Softwareentwickler bei S. Der Geschäfsführer G ist mit dem Erstentwurf eines solchen Projektvertrags überfordert und fragt bei Ihnen an, was denn so alles im Vertrag drin sein müsse.​

 

Fall 13.2: G findet Ihre Inputs mehr als brauchbar. Er findet, im Projektvertrag müsse irgendwo verankert sein, dass die Softwarefirma auch Open-Source-Software (OSS) als Quellcode verwenden dürfe. Klar sei jedoch auch, dass S nicht haftbar gemacht werden könne, wenn am Quellcode der OSS etwas falsch sei und die von ihnen programmierte Software deshalb fehlerhaft sei. Schliesslich könnten sie ja nichts dafür, wenn die verwendete OSS fehlerhaft sei, und es sei ja absolut Standard, OSS wenn immer möglich zu benutzen. Das sei ja auch kostengünstiger und entspreche somit den Interessen des Softwarebestellers.​

Wie beurteilen Sie diesen Wunsch von G aus rechtlicher Sicht? Was sagen Sie zur «Copyleft»-Problematik?​

 

Fall 14.1: Das Spielentwicklerstudio S bringt gerade sein erstes kommerzielles Spiel «New Age» auf den Markt. S überlegt sich nun, ob es den Publisher P an Bord holen soll, um das Spiel auf dem Markt an den Endbenutzer zu bringen, oder ob es dies selber tun soll. P stellt sich auf den Standpunkt, er wolle eine Exklusivlizenz.​

Was würde die Einräumung einer Exklusivlizenz für S konkret bedeuten? ​

 

Fall 14.2: S ist nun in Vertragsverhandlungen mit P. P will nicht nur das ausschliessliche Recht, «New Age» zu vertreiben, sondern will auch gleich das ausschliessliche Recht, allfällige Nachfolger («Sequels») zu «New Age» vertreiben zu dürfen. Dies soll verknüpft werden mit einer Klausel, wonach S eine Strafzahlung von CHF 50’000.00 zu zahlen habe, wenn S ohne P einen Nachfolger herausbringt.​

Wäre ein Lizenzvertrag mit diesem Inhalt rechtsgültig? Begründen Sie Ihre Antwort.

 

Fall 14.3: S und P schliessen zusammen einen Vertrag ab und nennen diesen im Titel «Lizenzrahmenvertrag». Darin regeln S und P nicht nur die einzelnen Meilensteine in der Entwicklung der Software. S verpflichtet sich, auch nach Lieferung der Software regelmässige Nach- und Verbesserungen an der Software durchzuführen.​

Unter welchen ICT-Vertragstyp fällt dieser Vertragsabschnitt? Welche Bestimmungen der im Gesetz geregelten Vertragstypen können je nach Ausgestaltung des Vertragsabschnitts darauf angewendet werden?​

 

 

Fall 14.4: S und P kommen zwei Wochen nach Vertragsabschluss zusammen und diskutieren über den Softwarewartungsabschnitt in ihrem «Lizenzrahmenvertrag». Sie finden, sie hätten diesen näher und detaillierter definieren müssen, da sie Unstimmigkeiten über die genaue Wartung und die Funktionstüchtigkeit der Software von «New Age» haben. ​

Mit welcher Vertragsart können S und P mehr oder weniger Klarheit in ihre Situation bringen? 

 

Fall 15: Die auf Architektur spezialisierte Unternehmung U macht sich im Zuge einer anstehenden Fusion mit einer anderen Unternehmung Gedanken darüber, wie sie in Zukunft ihre IT-Infrastruktur betreiben will. Der Verwaltungsrat beauftragt Sie, ihm einen kurzen Rapport über die verschiedenen Möglichkeiten und Ausprägungsstufen zu schreiben, bei denen U die IT-Infrastruktur nicht mehr selber verwaltet.​

Was schreiben Sie dem Verwaltungsrat von U?

 

Fall 16: Das Entwicklerstudio «Macrosoft» (M) vertreibt aktuell die Dokumentenschreibsoftware «Letter». Der Publisher «Passivision» (P) sucht ein Entwicklerstudio, um eine Software zu entwickeln, mit der es möglich sein soll, Tabellen darzustellen und auch komplexere Tabellenkalkulationen durchzuführen. M und P haben zusammen einen Vertrag unterzeichnet, der neben diversen Inhalten die Entwicklung dieser Software regelt. Den Vertrag finden Sie auf den nächsten Folien.​

Analysieren Sie das Vertragsdokument. Welcher resp. welchen Vertragsarten ordnen Sie das Dokument resp. einzelne Teile davon zu? Begründen Sie jeweils.


Ergänzungen zu Fall 16

Softwareentwicklungsvertrag zwischen«Macrosoft»und«Passivision»​

  1. Geltungsbereich​

Der vorliegende Vertrag wird abgeschlossen zwischen der Macrosoft AG mit Sitz in Schaffhausen und der Passivision Holding AG mit Sitz in Zürich. Er regelt die gemeinsame Vertragsbeziehung zwischen den beiden Aktiengesellschaften im Hinblick auf die Entwicklung der Software «Ixcil».​

  1. Rechte und Pflichten von Macrosoft​

Macrosoft hat das Exklusivrecht, die Software «Ixcil» zu entwickeln. Es verpflichtet sich, die Software in seiner eigenen Entwicklerabteilung ohne Verwendung von OSS-Quellcode und ohne Beizug von externen Entwicklern zu erstellen. Die zu programmierenden Funktionen der Software werden im separaten Anhang I «Codename Ixcil» zu diesem Softwareentwicklungsvertrag festgehalten. Dieser bildet integralen Bestandteil des Softwareentwicklungsvertrags. Macrosoft verpflichtet sich, jederzeit dafür zu sorgen, dass die Entwicklung der Software nur den besten Qualitätsansprüchen genügt. In diesem Zusammenhang ist Macrosoft verpflichtet, allfällig gerügte Mängel (= Abweichungen vom Anhang «Codename Ixcil») innerhalb von einer Woche zu beheben. Werden Mängel jedoch nicht innerhalb von 3 Tagen nach (Zwischen-)Abnahme gerügt, gelten sie nicht mehr als Mängel im Sinne dieses Vertrages.​

Im Übrigen verpflichtet sich Macrosoft, absolutes Stillschweigen über die vorliegenden Vertragsbeziehungen und die Entwicklung von «Ixcil» zu bewahren. Verstösse gegen die vorliegende Vereinbarung haben eine Geldstrafe von 200’000.00 Franken zur Folge.​

Nach der Lieferung der Software vereinbaren die Parteien, dass Macrosoft für einen Zeitrahmen von einem Jahr regelmässige Verbesserungen an der Software auf der Basis von Rückmeldungen der Kunden von Passivision und von Passivision selber vornimmt. Die Vergütung wird pro Verbesserung individuell festgelegt anhand der Berechnungsmethoden aus Anhand II «Vergütungsmodell».​

  1. Rechte und Pflichten von Passivision​

Passivision wird das alleinige Exklusivrecht am Vertrieb und der Veröffentlichung der Software «Ixcil» gewährt. Passivision darf die Software nach Belieben an Geschäfts- oder Privatkunden verkaufen, nach Ablauf der Einjahresfrist zur obligatorischen Verbesserung andere Entwicklerstudios als «Macrosoft» mit der Verbesserung der Software beauftragen, und die Entwicklung der Software während jederzeit gegen Leistung einer angemessenen Vergütung für die bereits geleistete Arbeit von «Macrosoft» einstellen. «Passivision» werden alle Urheber- oder Nutzungsrechte an der Software, soweit gesetzlich möglich, übertragen oder gewährt. ​

Im Gegenzug verpflichtet sich «Passivision» zur Leistung einer Vergütung entsprechend dem Anhang II «Vergütungsmodell». Überdies wird «Passivision» verpflichtet, kein anderes Entwicklerstudio für die Erstentwicklung der Software «Ixcil» zu beauftragen als «Macrosoft». Diese Verpflichtung besteht im Falle der Entwicklungseinstellung gemäss Absatz hiervor noch für 10 Jahre über den Zeitpunkt der Einstellung hinaus. ​

«Passivision» ist verpflichtet, «Macrosoft» die zur Entwicklung benötigten Rohdaten (bspw. internes Entwicklungskonzept, beispielhafte Tabellendaten) zur Verfügung zu stellen.​

  1. Zeitplan der Entwicklung​

Die Entwicklung soll in drei Etappen durchgeführt werden, wobei jede dieser Etappen mit einer Zwischenabnahme beendet wird. Jede der Etappen dauert maximal 6 (sechs) Monate, womit die Software spätestens 18 (achtzehn) Monate nach Unterzeichnung des vorliegenden Vertrags endabnahmefähig sein muss. Dem Anhang III «Etappenziele» kann entnommen werden, welche Funktionen die Software zum Bestehen der einzelnen Zwischenabnahmen aufweisen muss. Für den Fall, dass die Software die Funktionen zum Etappenschluss wahrscheinlich nicht aufweisen werden kann, hat «Macrosoft» rechtzeitig eine Zusatzfrist bei «Passivision» zu beantragen, ansonsten die Geldstrafe zur Anwendung gelangt.​

  1. Probleme mit der Software​

Jegliche Haftung für Probleme oder Schäden, die durch die Entwicklung der Software oder durch die Software selber entstehen, übernimmt «Macrosoft». Dementsprechend lehnt «Passivision» jegliche Haftung gegenüber Dritten ab und erhält das Recht, von «Macrosoft» Ersatz zu fordern, wenn es von Kunden gerichtlich belangt wird.​

  1. Vorzeitige Kündigung des Vertrags​

Der vorliegende Vertrag ist nicht ordentlich kündbar. Aus wichtigen Gründen kann er von jeder Partei gegen Leistung einer angemessenen Entschädigung vorzeitig und unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten auf ein Monatsende gekündigt werden.​

  1. Gerichtsstand und anwendbares Recht​

Als Gerichtsstand vereinbaren die Parteien Zürich. Es gelangt Schweizerisches Recht zur Anwendung.​

  1. Zukunft​

Die Parteien verpflichten sich, nach Ablauf der einjährigen Frist zur Lieferung von Verbesserungen Verhandlungen für zusätzliche Vereinbarungen zu führen, mit denen die gemeinsamen Vertragsbeziehungen erneuert und verlängert werden. ​


​Zur Erinnerung Fall 16:​

Analysieren Sie das Vertragsdokument. Welcher resp. welchen Vertragsarten ordnen Sie das Dokument resp. einzelne Teile davon zu? Begründen Sie jeweils.​

Nehmen Sie einmal die Perspektive von «Macrosoft» und danach die Perspektive von «Passivision» ein. Welche Möglichkeiten zur Verbesserung des Vertrages sehen Sie jeweils?​

Was würde sich ändern, wenn die beiden Parteien den Vertrag soweit möglichst in einzelne Verträge aufteilen würden?​

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