Lerneinheit: Was ist Storytelling?
Storytelling ist das Erzählen von Geschichten. So werden Informationen vermittelt – und Emotionen. Gute Geschichten begeistern, fesseln und reißen mit. Sie hauchen kalten, nackten Zahlen Leben ein.
Storytelling hat seine Heimat in der Literatur und in Filmen, in Fabeln, Mythen und Märchen, im Journalismus und in politischen Reden. Als Business Storytelling wird es zur Führung eingesetzt, im Branding, im Marketing, in Werbung, PR oder Unternehmenskommunikation. Die Ursprünge von Storytelling liegen 200.000 Jahre zurück, sagen Ethnologen, es entstand an den Lagerfeuern unserer Vorfahren. Die technisch aufwendigsten Formen von Storytelling finden heute im Internet statt (New York Times Feature Snow Fall) oder in einer holographischen Spieleumgebung (z.B. Fragements für Microsoft Hololens).
WAS IST EINE STORY?
Die Kurzformel sieht so aus: Story = Figur + Zwangslage + angestrebte Befreiung.
Eine Story besteht aus drei Teilen, die in einfachster Form mit Anfang, Mitte, Ende bezeichnet werden können. Oder vielleicht etwas präziser: Ausgangssituation, Komplikation, Auflösung.
DREI BEISPIELE FÜR BUSINESS STORYTELLING
APPLE
Eine Geschichte kann das Ziel haben, ein neues innovatives Produkt einzuführen.
Bei der Einführung des iPhones folgte die Präsentation von Steve Jobs folgendem Dreischritt: Wir haben uns die sogenannten Smartphones angesehen. Sie haben uns nicht gefallen, alle schwer bedienbar (Ausgangssituation). Wir haben die Herausforderung angenommen, ein Smartphone zu bauen, das ganz einfach und reduziert ist und trotzdem viel mehr kann. War nicht ganz einfach (Komplikation). Wir haben es trotzdem geschafft, hier ist es (Auflösung).
AIRBNB
Eine Geschichte kann von der Gründung eines Start-ups erzählen.
Ausgangssituation: Wir, die Gründer, Joe, Nathan, Brian, hatten ein gemeinsames Apartment. Komplikation: Die Miete wurde angehoben, wir konnten uns das Apartment nicht mehr leisten. Auflösung: Wir vermieteten ein Zimmer mit Luftmatratze und Frühstück, das brachte uns auf die Idee für Airbnb.
AMAZON
Eine Geschichte kann das Ziel haben, Unternehmenswerte und Guidelines so zu vermitteln, dass sie im Gedächtnis haften bleiben als Vorbild für das eigene Handeln.
Amazon besitzt eine Reihe von Leadership-Prinzipien. Eines davon heißt Frugality, der gezielte Einsatz von Ressourcen. Die Story, die dazu erzählt wird, ist sehr kurz: Der Schreibtisch des Firmengründers und CEO Jeff Bezos ist eine alte Tür auf zwei Böcken. Die ausführliche Geschichte erzählt sich jeder Mitarbeiter selbst, wenn er über Investitionen nachdenkt.
Ausgangssituation: Mein Bereich läuft gut, aber ich brauche mehr Leute. Komplikation: Brauche ich die wirklich, wenn Jeff mit einer alten Tür zufrieden ist, der Tür, mit der er damals, 1994, das Unternehmen startete, das heute eins der größten Digitalunternehmen der Welt ist? Geht es nicht vielmehr um den Start-up-Geist von damals, den die Tür symbolisch verkörpert? Kann ich nicht mit weniger Leuten das gleiche Ziel erreichen? Jeff war damals schließlich allein. Auflösung: neues Konzept, das z.B. erlaubt, durch den Einsatz von Technologie mit der gleichen Anzahl von Mitarbeitern die Ziele zu erreichen.
WAS SIND DIE ZUTATEN EINER GUTEN STORY?
Eine Story – ganz gleich ob im Business oder in einem Märchen – hat ein einfaches Set von von Zutaten:
Einen Helden. Das Publikum sollte sich mit ihm identifizieren können.
Ein Ziel. Die entscheidenden Fragen sind: Warum erzähle ich diese Story jetzt? Was will ich damit erreichen?
Einen Konflikt. Er entsteht aus Widerständen, die den Helden (und sein Team oder sein Unternehmen) daran hindern, das Ziel zu erreichen.
Eine Dramaturgie. Sie lässt sich im Dreiaktschema darstellen – Ausgangssituation, Komplikation, Auflösung. Eine gute Orientierung geben auch die sieben Basic Plots.
Eine Auflösung. Wie wird der Konflikt gelöst und was lernen wir daraus?
WIE WIRKT STORYTELLING?
Neurowissenschaftler und Psychologen haben sich in den letzten Jahrzehnten intensiv mit der Wirkung von Storytelling befasst. Ihre Grundidee ist folgende: Unsere Gehirne haben sich im Laufe der Evolution darauf ausgerichtet, Storys zu erzählen, zu verstehen und zu behalten. Sie sind nicht auf glasklare Business-Logik ausgerichtet. Schon gar nicht auf Powerpoint Charts, die Fakten auflisten.
STORYS WERDEN 22X BESSER ERINNERT
Das zeigten Experimente an der Stanford-Universität. Studenten hatten eine Minute, um eine Idee zu pitchen. Die meisten nutzten Fakten, nur wenige erzählten Storys. Die Storys aber blieben 22x besser in Erinnerung, fanden die Forscher heraus. Weil sie uns emotional berühren. Weil wir in einer Geschichte an die Stelle der Helden oder der Heldin treten.
STORYS VERKAUFEN 2-5X BESSER
Experimente an der Stanford-Universität zeigten auch, dass Storys mindestens doppelt so gut verkaufen wie pure Fakten. Getestet wurde das mit Spendenaufrufen. Die ideale Kombination sind Fakten plus Story. Das sagt auch Storytelling-Guru Robert McKee, der behauptet, dass seine Kunden 5x besser verkaufen, wenn sie Storys im Sales und Marketing nutzen. Das liegt unter anderem daran, dass wir das Hormon Oxytocin ausschütten, wenn wir Geschichten hören. Oxytocin macht uns empathisch. Je höher unsere Oxytocinwerte, desto mehr spenden wir, haben Experimente des Neuroökonomen Paul Zak gezeigt.
In meinem Buch Tell Me! Wie Sie mit Storytelling überzeugen gehe ich auf ein Experiment ein, das weit über diese Verkaufserfolge hinausweist. Da geht es um den Faktor 27 – ein Preis für Produkte wird mit Storytelling um das 27-fache gesteigert. Klingt unglaublich? Allerdings. Die Story des Experiments bekam im Buch folgende Überschrift: „Voodoo für Fortgeschrittene: Verkaufen, ohne zu verkaufen“.
Quelle: Storytelling: Die Grundlagen für gute und überzeugende Geschichten (strategisches-storytelling.de)