Prinzipien der Veränderung
Die folgenden drei Prinzipien basieren auf dem beschriebenen systemischen Denken: Transparenz, Metakommunikation und Selbstorganisation.
Transparenz
Transparenz bezieht sich im systemischen Denken und Handeln auf die Kommunikations- und Interaktionsmuster in einer Organisation.
Transparenz als erstes Veränderungsprinzip dient dazu, relevante Kommunikations-bzw. Entscheidungsweisen zu erkennen.
Ziel eines Vorgehens zur Veränderung ist somit, Störungen in der Kommunikation und Entscheidungsfindung in einem sog. „Sounding Board“ (= Kommunikationsplattform für alle betroffenen Mitarbeiter und Führungskräfte) sichtbar zu machen. Dann können diese behandelt werden, um neue Regeln zu vereinbaren.
Beispiel: In der Reflexion eines Arbeitsmeetings wird deutlich, dass der Abteilungsleiter seine Entscheidung bzgl. der Einstellung einer neuen Mitarbeiterin zunächst rein sachlogisch begründet hat. Tatsächlich bestand ein weiteres Motiv darin, die „Seilschaften“ innerhalb einer Gruppe dadurch aufzubrechen, dass ein neues „Element“ in dieses Untersystem eingeführt wird, um die bestehenden Regeln – die der Vorgesetzte als störend empfunden hat – zu verändern. Die Reaktionen der betroffenen Mitarbeiter führten jedoch dazu, dass die neue Kollegin nicht akzeptiert wurde. Diese Störung wurde nach einiger Zeit so deutlich, dass sie nicht länger ignoriert werden konnte. Durch eine neutrale Moderation der Abteilungssitzung wurde dieser Konflikt thematisiert und offengelegt. Nun konnte – mit Zustimmung des Chefs – darüber aus der Sicht der Betroffenen gesprochen werden. An der Tatsache der neuen Mitarbeiterin wurde nichts geändert, allerdings erkannte der Abteilungsleiter, dass neue Regeln für diese Gruppe durch die Mitarbeiter selbst entwickelt werden müssen, wenn die Gruppe arbeitsfähig bleiben bzw. wieder werden soll.
Darüber hinaus ist durch die Reflexion dieses Themas ebenfalls deutlich geworden, dass das Vorgehen des Abteilungsleiters ein Verhaltensmuster darstellt, das in der Gesamtorganisation bereits an anderen Stellen aufgetreten ist. Hier erfolgte die Wiederholung auf einer anderen Ebene. Die Phänomene spiegeln sich wider. Oder: Same confusion on a higher (lower) level!
Metakommunikation
Metakommunikation bedeutet, darüber zu reden, wie man miteinander redet (U. CLEMENT, 2003):
Wie in einem sozialen System geredet wird
Welche Regeln es dafür gibt
Wer welche Regeln macht
Wer diese Regeln installiert und durchsetzt
Inwieweit diese Regeln noch funktional sind
Wem sie welchen Vor-/Nachteil bringen
Wer welche Regeln in Frage stellen und
Wer welche Regeln ändern darf.
Darf ein Mitarbeiter seinem Vorgesetzten eine Rückmeldung anbieten bzw. geben? Oder stellt der Versuch bereits einen Tabubruch dar? Welche Verhaltensweisen des Vorgesetzten darf der Mitarbeiter ansprechen, welche nicht? Darf persönliche Betroffenheit geäußert werden? Wie wird mit Kundenreklamationen umgegangen – wird ein Sündenbock gesucht oder eine zukünftige Lösung? Darf wiederum über all das bzw. über den Umgang damit gesprochen werden?
Metakommunikation dient zur Klärung hinderlicher Kommunikationsmuster in Organisationen. Wenn Metakommunikation nicht stattfindet, können keine Änderungen in diesen Interaktionen erfolgen. Damit fehlt eine wesentliche – wenn nicht die – Voraussetzung für Change Management. Das notwendige Mittel dazu ist nicht nur Kommunikation, sondern auch und gerade Metakommunikation.
Selbstorganisation
Mitarbeiter organisieren ihre Arbeitsabläufe in eigener Verantwortung. Sie berücksichtigen dabei ein gemeinsames Arbeitsergebnis (z.B. eine funktionierende Kreditbearbeitung in einer Bank, den Einbau eines Armaturenbretts inklusive aller Instrumente in einem Fahrzeug, das Einführen von Teamarbeit), gestalten Ablauf und Inhalt der Arbeitsschritte selbst, korrigieren Fehler und verändern dementsprechend wiederum Verhaltensweisen und Tätigkeiten.
Die Mitarbeiter organisieren sich und ihre Arbeitsabläufe eigenständig.
Beispiel: Aufgrund der Beobachtung und Analyse des Arbeitsablaufs rufen die Mitarbeiter einer Fertigungsinsel einen Kollegen der Haustechnik, der den Griff von einem Werkzeugkasten trennt und an einer anderen Stelle wieder anbringt; dadurch verringert sich die Zahl der notwendigen Handgriffe und die Durchlaufzeit des Produkts an dieser Stelle der Fertigungskette. Oder: Die Mitglieder eines Teams regeln die Besetzung der Positionen in ihrem Service Center neu, nachdem ein Kollege wegen Krankheit ausgefallen ist.
Selbstorganisation als Entwicklungsprinzip wird nicht nur in der Biologie und der Chemie beschrieben, sondern auch in den Sozial- (LUHMANN, 2002) und Wirtschaftswissenschaften verwendet, um z.B. Entwicklungs- bzw. Entscheidungsregeln zu erklären (siehe dazu die Nobelpreisträger Eigen/Kandel/Prigogine).
Selbstorganisation ist ein Lernprozess, der mehrere Stufen individuellen Lernens umfasst:
Lernen als Aneignen und Ausführen von Handlungen (z.B. Computer bedienen, Telefonieren, Auto fahren)
Lernen im kognitiven Sinne: Durch Selbstbeobachtung die notwendigen Optimierungen des eigenen Handelns erkennen und anschließend umsetzen (z.B. die Durchführung verbessern, die Techniken exakter anwenden, funktionalere Prozessschritte formulieren)
Lernen zu Lernen: Wie muss man seine Selbstbeobachtung verändern, damit man die Informationen gewinnen kann, die für die zielorientierte Verbesserung der vorangegangenen Schritte benötigt werden?
Das dazu nötige Mittel ist nicht Kommunikation, sondern Metakommunikation.